Was ist dran an den Berichten über Golf als einer angeblich guten Sache für Menschen mit Behinderungen? Gerhard Czerwionka aus Rottenburg/Laaber, der seit über 20 Jahren an Multipler Sklerose erkrankt ist, stand für „Abschlag“ Rede und Antwort.
Ausgerechnet Golf? Und dann auch noch für gesundheitlich Gehandicapte? Wie geht das zusammen?
Gerhard Czerwionka: „Ihr Golfer seid die letzten, auf die ich gekommen wäre“, soll im vorigen Jahr der Chef des Bayerischen Behinderten- und Reha-Sportverbandes (BVS) einmal gesagt haben. Doch ein paar Monate später wurde Golf in die Liste der rund 80 von diesem Verband empfohlenen Sportarten aufgenommen. Immer mehr sportwissenschaftliche und medizinische Studien belegen die guten therapeutischen Erfolge.
Roß und Reiter bitte. Wer kann was belegen?
Da ist zum Beispiel eine Untersuchung der Universität Regensburg unter Leitung von Prof. Petra Jansen, in der Verbesserungen des Koordinationsverhaltens der räumlichen Intelligenz und der Balance durch den Golfsport nachgewiesen werden. Auch die in Sachen Schlaganfall-Therapie aktive Universität Paderborn untermauert diese Studien und sieht hier eine sehr wirkungsvolle Reha-Maßnahme. Positive Auswirkungen auf Kreislauf, Atmung und Rumpfmuskulatur attestiert das Stockholmer Karolinska-Institut.
Und wie war das bei Ihnen?
Wegen Multipler Sklerose (MS) sind bei mir Bewegung und Mobilität erheblich eingeschränkt. Ich kann nur mit Gehhilfen kurze Strecken zurücklegen. Seit 1993 spiele ich Golf und dieser Sport hat nach Eintritt der Behinderung stark zur Verbesserung meiner Koordination und des Gleichgewichtsgefühls beigetragen. Auf dem Platz nutzte ich einen „Paragolfer“, also einen elektrischen Rollstuhl, mit dem ich sogar auf die Grüns fahren konnte. Mittlerweile bin ich auf einen „Scooter“ umgestiegen. Ich spiele auch bei Turnieren nach den offiziellen Regeln mit nicht-behinderten Golfern. Das hat auch im mentalen Bereich seine guten Wirkungen.Landläufig gilt Golf als exklusiver und teurer Sport. Dieses Image zu korrigieren wird die Verantwortlichen noch viel Zeit und Energie kosten. Doch in den Clubs tut sich eine Menge in puncto Öffnung für Menschen mit gesundheitlichem Handicap. Die Vereine erkennen das Reha-Potenzial und werden aktiv. Für den Deutschen Golf Verband in Wiesbaden soll „Golf & Gesundheit“ ab 2015 und in den folgenden Jahren ein Leuchtturm-Thema sein.
Welche Signale sind hier zu empfangen?
Man beginnt sich zu kümmern und zeigt es auch. Die Golfclubs im Landkreis Dachau etwa haben angekündigt, noch in diesem Jahr Behinderten-Beauftrage zu mandatieren. auch in Brandenburg (GC Kallin) und anderswo gibt es jetzt solche Initiativen. Am Trend-Thema „Inklusion“, also der gleichberechtigten Teilhabe von Behinderten an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, kommen die Golfclubs nicht mehr vorbei. Auch daran wird man die Vereine in Zukunft messen.
Bekommen behinderte Golfer eine Extrawurst?
Bedingt. Behinderte spielen nach den gleichen Regeln wie alle Golfer, allerdings sind je nach Einschränkung bestimmte Hilfsmittel erlaubt. Blinde brauchen natürlich einen Assistenten, der sie beim Schlag ausrichtet. Diese Regel-Modifizierungen kann man sich vom deutschen Behinderten Golf Club e.V. (BGC), der in Berlin ein „Büro für Inklusion und Zukunftsfragen“ betreibt, zumailen lassen.
Welche Vergünstigungen gibt es sonst für Behinderte?
Das ist sicherlich von zu Club zu Club unterschiedlich. Meist gibt es mit einem GdB (Grad der Behinderung) ab 50 Ermäßigungen für Elektro-Carts von 50 Prozent/Person, auch die Spielgebühr kann sich entsprechend reduzieren. Und wie sieht es für behinderte Golf-Einsteiger mit den Kosten für Aufnahme und Spielberechtigung aus? Wegen des immer härteren Wettbewerbs unter den Clubs sind diese Gebühren deutlich gesunken und liegen heute meist um die 1000 Euro/Jahr und entsprechen damit in etwa dem Jahresbeitrag für ein gutes Fitness-Studio. Gebrauchte Schläger kosten kaum Geld. Für die Platzreife beim Trainer muss man mit etwa 200 Euro rechnen. Vieles aber ist Verhandlungssache. Wer sich ernsthaft interessiert und ungeniert verhandelt, kann auch viel herausholen. Am günstigsten ist sicher der Weg über den BGC.